Das nichtlineare Modell von [Kreutzberg, 1998] stellt - wie alle anderen Modelle auch - einen Ausschnitt aus der Realität dar. Das Modell ist somit vom Entwickler geprägt und beschreibt den Umweltausschnitt aus einem speziellen Blickwinkel.
In diesem Kapitel werden nun Auffassungen von anderen Autoren aufgezeigt, so dass der Leser dadurch eine andere oder zusätzliche Perspektive auf die Realität erhält und das Strommodell in der Umgebung einordnen kann. Die Autoren beschreiben die Umwelt dabei meist verbal, wodurch zwar ein breites Spektrum abgedeckt werden kann, logische Schlussfolgerungen dann jedoch nur schwierig gemacht werden können.
Es ist zu beachten, dass die verbalen Darstellungen der verschiedenen Autoren ebenso als Modelle interpretiert werden können und als solche ebenfalls subjektiv und begrenzt sind.
2.2.1 Unternehmung
Das Strommodell von [Kreutzberg, 1998] bildet die Unternehmung und deren Beziehungen zur Umwelt ab. [Rühli, 1985; S. 15] definiert die Unternehmung als "offenes, dynamisches, komplexes, teilweise probabilistisches, teilweise autonomes, zielgerichtetes, zielsuchendes produktives soziales System".
Das nichtlineare Modell von [Kreutzberg, 1998] berücksichtigt diese Aspekte bis zu einem gewissen Grad: Das grundlegende Strommodell zeigt die Beziehungen zu Lieferanten und Kunden, und das formale Modell unterscheidet zwischen verschiedenen Zeitperioden. Die Komplexität der Unternehmung wird im Modell stark reduziert und auf einem sehr abstrakten Niveau behandelt. Dem produktiven System wird durch die Leistungsströme Rechnung getragen.
2.2.2 Informationsmanagement
[Davis, 1993; S. 22] definiert Informationsmanagement als "a new business function with responsibility to define organizational information requirements, plan and build an infor-mation infrastructure and information system applications, operate the system, and organize, staff and manage these activities". [Österle, 1991; S. 29] unterteilt das Informationsmanagement in die Bereiche "Informationsbewusste Unternehmensführung", "Management der Informatik" und "Informationssystem-Management". [Heinrich, 1996] stellt ein Informationsmanagement-Modell vor, welches zwischen strategischen, administrativen und operativen Aufgaben unterscheidet.
Aus den Beschreibungen geht hervor, dass das Management der Ressource "Information" sehr viele Aufgaben umfasst und praktisch überall in der Unternehmung anzutreffen ist. Deshalb muss jede Führungskraft im Unternehmen ständig auch Aufgaben des Informationsmanagements wahrnehmen. Mit Hilfe der Unterteilungen von [Heinrich, 1996] und [Österle, 1991; S. 29] lassen sich Aufgaben besser auf organisatorische Einheiten verteilen. Bei einer hierarchisch gegliederten Unternehmung lassen sich die strategischen, administrativen und operativen Aufgaben vorzugsweise auch in dieser Reihenfolge in den entsprechenden Stellen der Hierarchie finden. So sollte die strategische Situationsanalyse vor allem durch Stelleninhaber in oberen Positionen durchgeführt werden, während das Produktionsmanagement von einer Führungskraft tieferer Ebene wahrgenommen werden kann. Falls die Unternehmung horizontal in verschiedene Abteilungen gegliedert wird, stellt sich ebenfalls die Frage nach der Zuordnung von Aufgaben des Informationsmanagements. [Österle, 1991; S. 28f., S. 55] sieht die Aufgaben der informationsbewussten Unternehmungsführung und das Informationssystem-Management vorwiegend bei den Führungskräften des Fachbereichs angesiedelt. Die Aufgaben des "Managements der Informatik" können - wie der Name bereits andeutet - der Informatikabteilung zugeordnet werden.
Das Strommodell unterscheidet zwischen Unternehmungsführung, Informatikabteilung und Fachabteilung. Wie aus den obigen Beschreibungen hervorgeht, sind die Aufgaben des Informationsmanagements in allen drei Bereichen anzutreffen. Beim nichtlinearen Modell von [Kreutzberg, 1998] wird die Informatikabteilung als eine Ausprägung des Informationsmanagements aufgefasst.
2.2.3 Projektmanagement
Ein Projekt ist ein Vorhaben, das im wesentlichen durch Einmaligkeit der Bedingungen in ihrer Gesamtheit gekennzeichnet ist, wie: Zielvorgabe, zeitliche, finanzielle, personelle oder andere Begrenzungen, Abgrenzung gegenüber anderen Vorhaben und projektspezifischer Organisation. Das Projektmanagement stellt "die Gesamtheit von Führungsaufgaben, -organisation, -techniken und -mitteln für die Abwicklung eines Projektes" dar. [DIN, 1987]
"Das Projektmanagement soll sicherstellen, dass vereinbarte System- und Projektziele im Rahmen der personellen, technischen und finanziellen Randbedingungen erreicht werden" [Litke, 1991; S. 19]. Als Teilaufgaben ergeben sich für das Projektmanagement: Projektdefinition, Projektorganisation, Festlegen des Vorgehensmodells, Projektplanung, Projektüberwachung, Projektsteuerung und Motivation der Mitarbeiter.
Bei einem Projekt wirken mehrere Personen mit; es sind dies Auftraggeber und Auftragnehmer, Projekt-Steuerungsgremium, Projektleitung, Projektgruppe und Betroffene.
Bei der Organisation sind verschiedene Formen möglich, wobei sich im wesentlichen eine Einfluss-Projektorganisation, eine reine Projektorganisation und eine Matrix-Projektorganisa-tion unterscheiden lässt. (vgl. [Heinrich, 1997; S. 20, 26ff, 102])
2.2.4 Controlling und IV-Controlling
Bezüglich des Begriffs "Controlling" liegt kein einheitliches Verständnis vor. [Schoch, 1993; S. 15] stellt dazu fest, dass im allgemeinen Sprachgebrauch mit "Controlling" die Institution, die Funktion dieser Institution, die klassische Führungsteilfunktion, eine neuartige Führungsteilfunktion und ein Führungskonzept verstanden werden kann.
[Rühli, 1993] verwendet den Begriff im Sinne einer Hilfs- und Servicefunktion der Führungskräfte. Das Controlling soll dem Management die "für die Wahrnehmung der Führungsfunktion relevanten Informationen bereitstellen, aufbereiten und interpretieren" [Rühli, 1993; S. 197]. Die Führungskräfte sollen von rational fassbaren und delegierbaren Führungsaufgaben entlastet werden, "damit sich die spezifischen 'irrationalen' unternehmerischen Fähigkeiten der Führungspersönlichkeiten freier entfalten können" [Schildbach, 1992].
Bei enormem Umfang der Managementaufgaben kann also ein Teil dieser Aufgaben an eine Hilfsstelle (® Controlling) abgegeben werden. Das Controlling befasst sich dabei mit Teil-aufgaben der Führungselemente Planung, Steuerung und Kontrolle; Entscheidungen werden den Führungskräften durch das Controlling nicht abgenommen, sie sollen jedoch erleichtert werden.
Als eine Hauptaufgabe des Controllings wird vor allem in neuerer Zeit die Koordination der unterschiedlichen Teilsysteme der Unternehmungsführung verstanden (vgl. [Küpper, 1987], [Schildbach, 1992]). Zudem soll das Controlling auch innerhalb dieser Teilsysteme koordinieren, so dass dadurch die Effizienz und Effektivität der Führung erhöht wird. Beispielsweise ist die Koordination der Teilpläne innerhalb des Planungssystems oder die Abstimmung des Planungssystems mit dem Organisationssystem (Bsp. Kanban hat Einfluss auf Planungsgenauigkeit) eine typische Controllingaufgabe (vgl. [Pfaff, 1998; Kap. I, S. 4-8]).
Das Controlling kann durch die Informationsverarbeitung unterstützt werden. Andererseits stellt die Informationsverarbeitung aufgrund ihrer Komplexität und Kostspieligkeit selbst ein Controlling-Objekt dar. IV-Controlling ist in letzterem Sinne zu verstehen: "IV-Controlling ist das Controlling der Informationsverarbeitung im Unternehmen" [Krcmar, 1997; S. 250].
"Die Informationsinfrastruktur bedarf der an Zielen orientierten Planung, Überwachung und Steuerung. Aufgabe des Controllings der Informationsinfrastruktur ist es, die dazu erforderlichen Informationen sowie Grundsätze für Planungs-, Überwachungs- und Steuerungsprozesse bereitzustellen" [Heinrich, 1996; S. 171 f.]. Als Grundfunktionen des IV-Controllings bezeichnet er das Setzen von Zielen, das Überwachen des Ist-Zustands der Informationsinfrastruktur und das Steuern dieses Zustands. Daraus lassen sich die Teilfunktionen ableiten, wie sie in Abbildung 2 aufgeführt sind:
Abbildung 2: Wirkungskreislauf der Controlling-Teilfunktionen
([Heinrich, 1996; S. 172])
Als zentrale Funktion des IV-Controllings sieht [Heinrich, 1996] vor allem die Koordination. Dieser Meinung schliesst sich [Krcmar, 1997; S. 252] an und ergänzt: die Koordination der Informationswirtschaft "bezieht sich im Licht der Gesamtziele des Unternehmens auf den Lebenszyklus der Informationssysteme, die DV-Infrastruktur und den Einsatz der Ressource Information".
In Bezug auf das Controlling der Anwendungssysteme unterteilt [Krcmar, 1997] - angelehnt an den Lebenszyklus von Informationssystemen - in die Aufgabengebiete Ideencontrolling, Projektcontrolling und Produktcontrolling.
2.2.5 Projektcontrolling
Das Projektcontrolling ist ein Element des IV-Controllings. Das Projekt bildet das Controlling-Objekt, und das Projektmanagement wird vom Projektcontrolling unterstützt; das Controlling für Projekte bezieht die Ausübung der Controlling-Aufgaben auf Projekte (vgl. [Bauknecht, 1996]).
Sehr eng mit dem Projektcontrolling ist das - im Zeitablauf vorgelagerte - Ideencontrolling verbunden. Das Ideencontrolling beschäftigt sich damit, welche Projekte grundsätzlich benötigt werden und erarbeitet ein Soll-Portfolio der Projekte. Danach wird das Portfolio aufgrund verschiedener Kriterien analysiert und schlussendlich entschieden, welche Projekte realisiert werden. Der Übergang zwischen Ideencontrolling und Projektcontrolling kann an der Schnittstelle fliessend sein, indem sich beide mit Projektzielen befassen und solche festlegen. Die in der Projektvorstudie und beim Ideencontrolling erarbeiteten Projektziele bilden die Zielgrösse des Projektcontrollings. Diese Ziele werden übernommen und in Teil- oder Unterziele gebrochen.
Allgemein lassen sich die Controlling-Ziele im Zusammenhang mit Projekten wie folgt formulieren: Effektivität und Effizienz des Projektes, Qualitätseinhaltung, Termineinhaltung, Kosteneinhaltung, Funktionalitätseinhaltung, und Koordinierung des Managements von Informatikprojekten. (vgl. [Kargl, 1994], [Krcmar, 1997; S. 253 f.], [Heinrich, 1996; S. 448 ff.])
An diesen Zielen müssen sich die Planung, Überwachung und Steuerung von Informatik-projekten orientieren; "Aufgaben des Projektcontrollings sind die Projektplanung, -steuerung und -kontrolle sowie der Aufbau einer Erfahrungsdatenbank und die Durchführung von Wirtschaftlichkeitsanalysen" [Krcmar, 1997].
Bei der Planung des Projekts werden die einzelnen Phasen zuerst grob bestimmt, während in der Detailplanung die jeweils nächste Phase genauer unterteilt wird. Im Verlauf des Projektes kommt es ständig zu neuen Erkenntnissen und Situationen, so dass die Pläne aktualisiert werden müssen; in diesem Sinne ist die Planung als ein projektbegleitender, dynamischer Prozess zu verstehen. Zur Durchführung stehen verschiedene Instrumente zur Verfügung. Häufig werden Netzpläne, Balkendiagramme und Einsatzmittel-Auslastungsdiagramme verwendet.
Die Projektsteuerung und -kontrolle als weitere Elemente des Projektcontrollings erstrecken sich auf die Beratung, Systemvorbereitung und Entscheidungsunterstützung im Projektmanagement. Die Ist-Daten werden erfasst und mit den Soll-Daten verglichen. Anschliessend wird eine Abweichungsanalyse durchgeführt und gegebenenfalls steuernd eingegriffen (vgl. Abbildung 2). Bezugsobjeke sind dabei vor allem Projektfortschritt (Meilensteine), Termine, Kapazitäten, Projektkosten, Qualität und Wirtschaftlichkeit. Zur Ermittlung des Projektfortschritts erweist sich eine regelmässige Berichterstattung der Mitarbeiter als zweckmässig, welche der Controller auswertet und dokumentiert. Die Qualität wird oft mittels Reviews / Walkthroughs beurteilt, und die Kosten können mit Hilfe einer prozessorientierten Projektkalkulation überwacht werden.
[Krcmar, 1997] hebt hervor, dass als Aufgabe des Projektcontrollings der Aufbau einer Erfahrungsdatenbank von wesentlicher Bedeutung ist. Dadurch kann das IV-Controlling sich auf Erfahrungswerte abstützen, welche insbesondere bei der Planungsunterstützung des Informationsmanagements sehr wertvoll sein können; die Daten können als Basis für Aufwandschätzungen verwendet werden. Das Berichtswesen für das Führungssystem stammt ebenfalls aus einer solchen Datenbank. Wirtschaftlichkeitsanalysen sollten projektbegleitend durchgeführt werden und können im Rahmen einer Rückbetrachtung wichtige Daten für die Erfahrungsdatenbank liefern (Kennzahlen). (vgl. [Krcmar, 1997; S. 255 ff.])
Abbildung 3 fasst den beschriebenen Sachverhalt übersichtlich zusammen:
Abbildung 3: Projektcontrolling
(Quelle: [Krcmar, 1994; S. 299])
[Heinrich, 1997; S. 448 f.] teilt das Projektcontrolling bzw. die Projekteigenschaften in eine strategische, administrative und operative Ebene ein. Strategische Projekteigenschaften haben Auswirkungen auf das gesamte Projekt (z.B. kann sich die Produktivität auf die Projektlaufzeit und damit auf einen geplanten Endtermin auswirken), während administrative und operative Projekteigenschaften nur einen begrenzten Einfluss haben und bei frühzeitiger Erkennung und Korrektur die Projektziele nicht gefährden.
Tabelle 4 gibt einen Überblick über die drei Ebenen des Projektcontrollings nach [Heinrich, 1997] und zeigt, welche Personen bei welchen Aufgaben unterstützt werden:
Projektcontrolling
|
|||
strategisch |
administrativ |
operativ |
|
Wer wird durch das Projektcontrolling unterstützt?
|
strategisches Informationsmanagement |
zuständige Leitungsinstanzen (insbesondere das Projektsteuerungsgremium und die Projektleitung)
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Projektmitarbeiter |
Bei welchen Aufgaben unterstützt das Projektcontrolling?
|
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|
Tabelle 4: Ebenen des Projektcontrollings
(in Anlehnung an [Heinrich, 1997; S. 448 f.])
Im wesentlichen kann das strategische Projektcontrolling mit dem Ideencontrolling von [Krcmar, 1997] gleichgesetzt werden, wobei letzterer die damit verbundenen Aufgaben nicht mehr zum Projektcontrolling zählt. Daraus ist die schon erwähnte Definitionsvielfalt ersichtlich, es zeigt aber auch, wie eng die jeweiligen Aufgaben miteinander verbunden sind und der Koordination bedürfen.
Auch kann der Übergang zwischen den Aufgaben des Projektmanagements und des Projektcontrollings fliessend sein, weil das Controlling (aus funktionaler Sicht betrachtet) als Teilfunktion der Führungsfunktion verstanden werden kann.
"Vertreter der institutionalen Sicht des Controllings sehen das Neue weder in den Funktionen noch in den angewandten Instrumenten: 'Das Charakteristische und Neue besteht in der Verselbständigung der Controller-Aufgaben, ... deren institutionelle Zusammenfassung zum Zwecke ihrer intensiveren Entwicklung, Wahrnehmung und Durchsetzung' [Heigl, 1989]. Die institutionale Auslegung des Controllings setzt einen organisatorisch abgegrenzten Teilbereich im Unternehmen voraus, dessen Aufgabenträger Servicefunktionen für das Management wahrnehmen" [Chwolka, 1996; S. 17]. Im folgenden wird das Controlling aus dieser Sicht heraus verstanden, wobei zu den Aufgaben des Projektcontrollings diejenigen Aufgaben gezählt werden, wie sie in [Krcmar, 1997] (vgl. Abbildung 3) aufgeführt werden.
Das nichtlineare Modell von [Kreutzberg, 1998] hat zum Ziel, für den Aufbau eines Projektcontrollings zu motivieren. Das Modell beinhaltet als wichtiges Element einen sogenannten Erfahrungspool. Wie aus den obigen Beschreibungen hervorgeht, steht ein solcher Pool in sehr engem Zusammenhang mit dem Controlling; eine Erfahrungsdatenbank im Sinne von [Krcmar, 1997; S. 256] ist einem solchen Pool zuzuordnen. Die Daten im Pool können insbesondere verwendet werden, damit der Aufwand künftiger Projekte präziser geschätzt werden kann. Genau dieses Ziel verfolgt das dynamische Schätzmodell von [Kreutzberg, 1998b], welches mit dem Strommodell kombiniert wird: Während das Strommodell zur Einführung des Projektcontrollings und eines Erfahrungspools motivieren will, soll das Schätzmodell als Instrument des Projektcontrollings die Prognosewahrscheinlichkeit von Informatikprojekten erhöhen. Das dynamische Schätzmodell von [Kreutzberg, 1998b] wird in dieser Arbeit nicht weiter verfolgt.